Volatilität und Disruption sind heute an der Tagesordnung. Digitalisierung und Globalisierung verändern das Informations- und Kaufverhalten der Menschen in einem nie dagewesenen Tempo. Unternehmen und Marken sind deshalb gefordert, sich möglichst agil an neue Trends in der Gesellschaft, in der Arbeitswelt, in der Unternehmensführung und im Marketing anzupassen.
Die sogenannten Millennials, also die Generation der zwischen 1980 und 1995 geborenen, als auch die Generation Z, die Generation der zwischen 1995 und 2010 geborenen, stellen heute bereits rund die Hälfte der Weltbevölkerung. Die beiden Generationen stehen für einen grundlegenden Wertewandel gegenüber früheren Generationen: Sie sind überwiegend gut ausgebildet und zeichnen sich durch einen technikaffinen Lebensstil aus. Wichtiger als Status und Prestige ist ihnen die Freude an der Arbeit. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der jüngeren Generationen. Die Balance zwischen Beruf und Freizeit ist ihnen wichtig.
Auch Veränderungen in ihrem Kaufverhalten werden erkannt: Die jungen Generationen streben nach Bequemlichkeit und Verwöhnung (Stichworte wie Online-Handel und Home Delivery). Sie stehen auf exklusive und individualisierte Angebote (Stichwort massgeschneiderte bzw. individualisierte Produkte). Das Erlebnis ist für sie wichtiger als das eigentliche Produkt. Sie sind nachdenkliche Käufer: Sie recherchieren vor dem Kauf, lesen Rezensionen, hören auf Mund-zu-Mund-Empfehlungen und informieren sich in den Sozialen Medien. Millenials und Gen Z haben auch eine überproportional grosse Affinität für Mode und Ästhetik sowie für Gesundheit und Wellness. Sie sind bereit, für Qualitätsprodukte Premium-Preise zu bezahlen (McKinsey spricht in diesem Zusammenhang von einer eigentlichen «Premiumization»). Und gleichzeitig präferieren sie Angebote mit Purpose und Nachhaltigkeitsversprechen. Marken aller Branchen sind deshalb gefordert, diesen Ansprüchen der jüngeren Generationen gerecht zu werden.
Neben dem Wertewandel beschäftigt uns die fundamentale Verschiebung der Kommunikation in die digitale Welt. Kommunikation findet heute auf der diagonalen Bildschirmgrösse des Smartphones von rund 15 cm statt. Da ist wenig Platz für die Abbildung filigraner Logos, undeutlicher Schriften, komplizierter Layoutprinzipien oder komplexer Werbebotschaften. Die Layout-Vorgaben in den Sozialen Medien limitieren die kreativen Möglichkeiten. Ästhetische Konzepte mit grossem Bildanteil gewinnen dagegen an Bedeutung. Der Film dominiert das geschriebene Wort. Kommunikation wird schneller, einfacher und emotionaler.
Und diese Veränderungen haben einen grossen Einfluss auf das Branding und das Marketing aller Marken. Die Präferenz der Millennials für Markenerlebnisse zwingt Marken zu mehr Lifestyle-Orientierung und Brand Experience. Eine erfolgreiche Marke muss heute «erlebt» werden können.
Hugo Boss lädt anlässlich des legendären Hahnenkammrennens in Kitzbühel ins malerische Boss Chalet ein, wo sich die globalen Markenbotschafter mit den wichtigsten Influencern bei Live-Musik, Cocktail-Empfängen und coolen Parties zu einem einmaligen Marken-Event treffen. Prada launcht das kürzlich erworbene traditionelle Mailänder Kaffee-Haus Pasticceria Marchesi als Prada-Café bei Harrod’s in London. Red Bull veranstaltet atemberaubende Extremsport-Anlässe, und sogar das Luxusmodeunternehmen Louis Vuitton hat in Zusammenarbeit mit dem renommierten Küchenchef Gaggan Anand sein erstes Restaurant in Südostasien eröffnet.
Lifestyle und die damit verbundene Ästhetik sind in. Sie werden so auch zum Treiber in vielen Branchen, in denen das Thema bis anhin wenig Bedeutung hatte. Und so sehen wir heute einschneidende Veränderungen in der Branding-Ästhetik. Das Branding vieler Marken wird moderner, emotionaler und erlebnisorientierter.
Dieser Trend gilt nicht nur für B2C-Marken, sondern auch für B2B-Marken. Denn die Grenze zwischen B2C und B2B verschwindet. Im digitalen Zeitalter ist der Showroom immer geöffnet. Deshalb gewinnt das Marketing in B2B-Branchen an Bedeutung. Und Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass B2B-Einkäufer keine «Corporate Robots» sind und ein wachsendes Interesse an Ästhetik und Markenerlebnissen haben.
Forciert wird der Ästhetik-Trend auch durch die vielen digitalen Disruptoren, welche in den letzten Jahren in unterschiedliche Märkte eingedrungen sind. Oft handelt es sich dabei um angelsächsische Marken, die Kraft ihrer Herkunft eine grosse Design- und Ästhetik-Affinität aufweisen. Die Branding-Konzepte bestechen durch Einfachheit und Klarheit. Sie sind «digital-first»-konzipiert und werden so als sehr zeitgemäss und modern wahrgenommen. Leider haben noch nicht alle Marken diesen Trend erkannt. Viel zu viele Marken aus unterschiedlichen Branchen werden den heutigen Anforderungen betreffend Ästhetik und Markenerlebnis nicht gerecht. Sie wirken langweilig, vorhersehbar und wenig attraktiv. Ihnen fehlen ein zeitgemässes Design, ein nachhaltiges Markenerlebnis und eine emotionale Ansprache der Kunden. Und gegenüber den zeitgemässen Konkurrenten mit grosser Ästhetik-Affinität wirken sie wie aus einer anderen Zeit. Die qualitativen Unterschiede werden immer grösser. Somit entsteht ein Spannungsfeld zwischen alter und neuer Welt.
Können solche «verstaubten» Marken in einer Welt, in der sich das Informations- und Kaufverhalten fundamental verändern, langfristig erfolgreich sein? Ich glaube nicht. Die Zukunft wird also spannend werden.