Customer Centricity, Digitalisierung, Transformation – in unseren disruptiven Zeiten stehen alle Zeichen auf Veränderung. Neue Herausforderungen für Marken kommen unter anderem in Form veränderter Zielgruppen hinzu: Neue Käufergenerationen wie die Millennials treiben die angestrebte Individualität der Vorgeneration X verstärkt auf die Spitze: «Je aussergewöhnlicher und exklusiver, umso besser» lautet das Motto, verbunden mit ständigem Streben nach grösstmöglicher Lebensqualität. Aktuelle Studien zeigen, dass Produkte und Geschäfte für Millennials nicht nur ästhetischen Prinzipien entsprechen, sondern auch originell und überraschend sein müssen. Es graut dieser Generation vor Standardisierung, welche einen beträchtlichen Störfaktor für die Lust am Shoppen darstellt.
Die Menschen und ihre Kaufgewohnheiten verändern sich also gerade grundlegend: Die Digitalisierung sorgt für einen einfachen Zugang zu Produkten und Dienstleistungen und verändert damit die Kundenerwartungen in allen Kanälen dramatisch. Und weil in digitalen Kanälen hauptsächlich auf Benutzerfreundlichkeit und Convenience gesetzt wird, gewinnt als Folge davon die Customer Experience im stationären Handel ebenfalls an enormer Bedeutung.
In diesen Zeiten der monumentalen Veränderungen geht eine zentrale Frage bei vielen Markenverantwortlichen unter: Wird meine Marke diesen neuen Anforderungen gerecht?
Marken sind Strömungen unterworfen. Will eine Marke stark, sprich: erfolgreich, bleiben, so muss sie sich speziell in diesen Zeiten immer wieder erneuern, um für ihre Kunden relevant zu bleiben. Deshalb müssen in regelmässigen Abständen diese Fragen gestellt werden:
1. Kann ich mit meinem Business-Modell unter Berücksichtigung der sich verändernden Kaufgewohnheiten auch zukünftig erfolgreich sein?
Marken sind gezwungen, das eigene Business-Modell immer wieder auf Kongruenz mit den Kundenbedürfnissen zu hinterfragen, wie zum Beispiel Ikea: Während der Online-Verkauf des schwedischen Möbelherstellers nicht gerade mit Rekordzahlen brilliert, dringt Ikea mit seinen Verkaufspunkten zunehmend aus der Peripherie in die Innenstädte vor und richtet sich damit – zusammen mit einem neuartigen Möbel-Vermietungs-Angebot – an neuen, jungen Zielgruppen und deren veränderten Lebensgewohnheiten aus.
2. Entspricht mein Angebot den Kundenbedürfnissen?
Millennials kaufen – wie wir mittlerweile wissen – gerne in einem ästhetischen Ambiente. Rein funktional gestaltete Convenience-Stores mit abgepackten Salaten zum selber Zubereiten werden diesem Anspruch nicht gerecht. «Sensual Upgrading» heisst das neue Zauberwort, auf welches sich zum Beispiel Migros Daily ausgerichtet hat: Zwar sind auch hier die Produkte zum Sofort-Verzehr (Salat-Bowls, Sandwiches, Pizza-Slices, Früchtebecher etc.) portioniert, präsentiert werden sie jedoch in einem inszenierten Ambiente, welches Lust auf Genuss macht.
3. Unterscheidet sich mein Leistungsversprechen im Wettbewerbsumfeld und macht mich somit aus Sicht des Kunden einzigartig?
Starke Marken heben sich durch eine klare, differenzierende Positionierung von der Konkurrenz ab. Das beweist Davos Klosters mit seiner Neuausrichtung: Während die Bündner Tourismus-Region in der Vergangenheit für ein «eierlegende-Wollmilchsau»-Angebot stand und damit zwar «für jeden etwas» bot, aber kein triftiges Argument hatte, weshalb der Gast seine Ferien nicht anderswo verbringen sollte, besinnt sich Davos Klosters nun auf seine eigentliche Stärke: Neu fokussiert sich die Marke auf ihr einzigartiges, in keiner anderen alpinen Destination so umfangreich verfügbares, polysportives Angebot – Davos Klosters ist das Sport-Mekka der Alpen.
4. Bin ich für meine Kunden attraktiv genug?
Wie viele Menschen wollen heute noch die Wohnwand «Eiche» in ihrem Wohnzimmer, wie sie der Möbel-Discounter Toptip schon vor Jahren im Sortiment führte? Die Millennials mit Sicherheit nicht. Dementsprechend fragt sich: Kann ich mit einem Discounter-Markenauftritt Lifestyle-Produkte verkaufen? Die Antwort lautet klar: Nein. Toptip hat seine Marke im Sinne der Customer Centricity folgerichtig zum lifestyligeren «Livique» umgebaut und richtet sich damit auf die Millennials als Zielgruppe aus.
5. Wird mein Markenerscheinungsbild den zunehmenden Kundenbedürfnissen hinsichtlich Ästhetik und Originalität gerecht?
Brand Aesthetics hat in den letzten 15 Jahren an Bedeutung gewonnen. Was früher nur den Luxusmarken vorbehalten war, gilt heute auch in Massenmärkten und sogar in der Industrie (B2B). Marken müssen ihr Erscheinungsbild laufend im Sinne der Originalität anpassen. Ein Paradebeispiel dafür ist Apple: Die «Jünger» der Marke aus Cupertino sind sich gewöhnt, dass Apple auch am POS ständig für ein Erscheinungsbild sorgt, welches Ästhetik- und Originalitätswünsche befriedigt. Das neue Shop-Konzept der Apple Town Squares, für welches Angela Ahrendts, Ex-CEO von Burberry, verantwortlich zeichnet, macht den POS zur lifestyligen Mischung aus Verkaufsraum, Bildungsstätte und Treffpunkt. Die Geschäfte werden grüner: Es gibt Bäume im Geschäft, die Produkttische sind aus Holz und der benötigte Strom speist sich vollständig aus erneuerbaren Energien. Regelmäßige Veranstaltungen wie «Today at Apple» oder Programmierkurse für Kinder runden den Zweck des Gebäudes in wohnlichen Neben- und Konferenzzimmern ab.
6. Wie kann ich für meine Marke Customer Experience schaffen?
In Zeiten des boomenden Online-Handels fragt sich, mit welcher Art von Erlebnissen die Marke ihre Zielgruppen an den stationären POS bringen kann, um dem Kunden einen Mehrwert gegenüber dem Online-Shopping zu bieten. Die amerikanische Modemarke Tommy Hilfiger verfügt über ein State-of-the-Art E-Commerce-Modell, bei welchem direkt im Anschluss an eine Modeschau die gezeigten Produkte bestellt werden können. Damit schlägt Hilfiger der Modemarke Zara ein Schnippchen, welche bisher mit ihren topaktuellen Kollektionen in den Verkaufsgeschäften den Prêt-à-porter-Modemarken stets eine Nasenlänge voraus war. Mit einem Store-of-the-Future-Konzept mit POS-Digitalisierung und als Konsequenz einer Sortimentsverkleinerung im Geschäft schafft Hilfiger am POS Platz für inszenierte Customer-Experience-Angebote wie Coffee-Shop, Schneider-Atelier, Online-Ordering etc.
Fazit
Leider gibt es zu viele Marken, die sich diesen Fragen nie stellen und seit Jahr und Tag unverändert auftreten. Ohne relevante Veränderung werden sie jedoch für den Kunden berechenbar. Und Berechenbarkeit bedeutet in Zeiten wie diesen früher oder später nur eines: den sicheren Tod der Marke.